Klimapolitik und der Stachel der sozialen Ungerechtigkeit

Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth und Finanzexperte Caio Koch-Weser haben ein neues Buch der MCC-Wissenschaftler Ottmar Edenhofer und Michael Jakob vorgestellt.

Foto: MCC

16.05.2017

Wie kann Klimapolitik auch innenpolitisch zum Gewinnerthema werden? Wie kann eine nachhaltige Finanzreform aussehen? Wie kann der CO2-Bepreisung der Stachel der sozialen Ungerechtigkeit entzogen werden? Antworten auf diese Fragen soll das Buch „Klimapolitik. Ziele, Konflikte, Lösungen“ geben, das am 18. Mai im Verlag C.H.Beck erscheint. Ottmar Edenhofer, Direktor des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC), und Michael Jakob, leitender Wissenschaftler am MCC, liefern darin eine Übersicht über die aktuelle Klimapolitik sowie die daraus erwachsenden Konflikte und Möglichkeiten zu deren Lösung. Ihre zentrale These: Die wachsende Ungleichheit zwischen den Ländern und Einkommen ist die vielleicht größte Herausforderung für die Klimapolitik.

Offiziell vorgestellt wurde das Werk im Projektzentrum Berlin (PZB) der Stiftung Mercator von Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Bundesumweltministerium, und Caio Koch-Weser, Aufsichtsratsvorsitzender der European Climate Foundation (ECF) und Staatssekretär a.D. im Bundesfinanzministerium. Im Mittelpunkt stand dabei unter anderem die Nutzung der Einnahmen von CO2-Bepreisung für eine gerechtere und nachhaltige Steuer- und Ausgabenpolitik.

Nachdem sich der Lektor des Verlags C.H. Beck für die hervorragende Zusammenarbeit mit den Autoren bedankt hatte, betonte Michael Jakob zu Beginn, dass vor dem Hintergrund des Zwei-Grad-Ziels eine schnelle Trendwende bei den Emissionen nötig sei. „Wir dürfen nur noch etwa 800 Gigatonnen CO2 emittieren, wenn wir das Zwei-Grad-Ziel nicht verfehlen wollen. In etwas weniger als 20 Jahren wird dieses Budget aufgebraucht sein“, sagte er. 80 Prozent der anderweitig genutzten Kohle, 40 Prozent des Gases und 40 Prozent des Öls müssten daher im Boden bleiben.

MCC-Direktor Edenhofer, der auch Chefökonom am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) ist, sprach sich daher für eine weltweite CO2-Bepreisung aus. Allerdings sei er mit seinem Ko-Autoren zu einem negativen Urteil über die derzeitige Funktionsfähigkeit des Europäischen Emissionshandels (ETS) gelangt. „Der Preisverfall ist darauf zurückzuführen, dass die Händler auf den Märkten der europäischen Klimapolitik nicht mehr ausreichend Vertrauen entgegenbringen wegen der hohen Überschussmenge: Der europäische Emissionshandel ist ein Wettbüro für politische Entscheidungen geworden.“ Leider sei der Mindestpreis, der die Fehler beim ETS beheben könne, aus dem Klimaschutzplan der Bundesregierung herausgefallen. Er hoffe aber, dass er wieder seinen Weg zurück in ein relevantes Dokument finde.

Zudem müsse sich die Umweltpolitik generell der Frage stellen, wie ihr der „Stachel der Regressivität“ gezogen werden könne. Daher müssten die Fragen des Klimaschutzes mit denen nach der Verteilungsgerechtigkeit verbunden werden.

Der Staatsekretär im Bundesumweltministerium, Jochen Flasbarth, lobte das Buch aus dem Blickwinkel der politischen Entscheider als „kleines, feines Kompendium“, das „zur richtigen Zeit“ komme. Nach der Verabschiedung des Paris-Abkommens gehe es jetzt darum, wie die darin vereinbarten Ziele umgesetzt werden können. „Eine Klimapolitik, die ohne richtige Preissignale zurechtkommen will, ist sehr, sehr mühselig – oder zum Scheitern verurteilt“, sagte er.

Skeptisch äußerte sich der Staatssekretär darüber, ob es wirklich zielführend sei, alle Sektoren – also auch beispielsweise das Verkehrswesen – in den europäischen Emissionshandel einzubeziehen.

„Wenn wir das ETS repartiert haben, können wir über die Integration weiterer Sektoren sprechen“, sagte er. Zudem sei die Frage der Verteilungsgerechtigkeit beim Klimaschutz aus seiner Sicht hochrelevant: „Ich bin den Autoren sehr, sehr dankbar, dass sie den Klimaschutz mit der Verteilungsgerechtigkeit verbinden.“

Caio Koch-Weser, ehemaliger Vice Chairman der Deutschen Bank Gruppe, kommentierte aus dem Blickwinkel der Finanzpolitik, dass die CO2-Bepreisung in die Diskussion über eine Finanzreform eingebettet werden sollte. „Wenn wir die Vision einer klimafreundlichen Wirtschaft in die Realität umsetzen wollen, wird die Finanzwirtschaft und hier vor allem der private Finanzsektor eine entscheidende Rolle spielen“, sagte er. Klimaschutz schaffe Möglichkeiten, in saubere Produkte und Prozesse zu investieren. Gleichzeitig aber würden Vermögenswerte in CO2-intensiven Bereichen unrentabel. „Weltweiter Klimaschutz wird immer bestimmender für die Art und Weise wie wir Geld sparen und anlegen.“

 

Informationen zum Buch:

Ottmar Edenhofer/Michael Jakob: Klimapolitik. Ziele, Konflikte, Lösungen | Verlag C.H.Beck, 128 Seiten mit 14 Abbildungen und 2 Tabellen im Text € 8,95[D] / € 9,20[A]

Die Abbildungen aus dem Buch können Sie hier herunterladen.