Investitionen in Infrastrukturen statt Subventionen für fossile Energien

MCC-Wissenschaftler erläutern, wie die Abschaffung der Subventionierung fossiler Energien Armut bekämpfen und die Versorgung der Ärmsten mit Wasser, Strom und Sanitäranlagen ermöglichen kann.

Foto: Shutterstock / Artush

24.07.2015

In beinahe 80 Ländern haben nicht alle Menschen Zugang zu Wasser, Strom, oder Sanitäranlagen. Mehr als 70 davon könnten Wasserversorgung für alle Bürgern ermöglichen – wenn sie nur ihre Subventionen für fossile Energien abschaffen würden. Mehr als 50 Staaten könnten Anschluss an Stromnetze gewährleisten und mehr als 60 Staaten ihre Bürger mit Sanitäranlagen versorgen. Insgesamt stünde dann genügend Geld für Investitionen in Infrastrukturmaßnahmen zur Verfügung, die vor allem Entwicklungs- und Schwellenländern in Asien und Afrika zu Gute kommen könnten. Besonders hohe Subventionen bei gleichzeitig hohem Infrastrukturbedarf weisen etwa die Republik Kongo, Simbabwe, Sambia, Kap Verde, Angola und Nigeria auf, sowie die Staaten in Südasien.

Das geht aus neuen Berechnungen für den Kommentar „Development incentives for fossil fuel subsidy reform“ im Wissenschaftsmagazin Nature Climate Change hervor, den Michael Jakob, Claudine Chen, Sabine Fuss, Annika Marxen und Ottmar Edenhofer vom Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) veröffentlicht haben.

Subventionen für Kohle, Öl und Gas sind demnach nicht nur schädlich für unser Klima, sondern auch ineffizient. „Derzeit wird mehr als eine halbe Billion Dollar jedes Jahr nicht nur umweltschädlich eingesetzt, sondern auch wirtschaftlich höchst ineffizient“, sagt MCC-Wissenschaftler Michael Jakob. „Darüber hinaus schlummert in dieser Summe ein beträchtliches Potenzial für die weltweite Armutsbekämpfung. In einer Übergangsphase müssten die Subventionen jedoch schrittweise abgebaut und neue Infrastrukturen aufgebaut werden. So könnten wir verhindern, dass sich für arme Menschen eine Versorgungslücke mit hohen Energiepreisen auftut.“

Besonders deutlich werden die vergleichsweise geringen Kosten für eine solche Form der Armutsbekämpfung beim Blick auf einzelne Länder: So müsste beispielsweise Nigeria über 15 Jahre lediglich vier Prozent seiner Subventionen aufwenden, um die 40 Prozent seiner Bevölkerung mit Wasser zu versorgen, die derzeit keinen Zugang haben. Indonesien bräuchte nur zwei und Indien 18 Prozent umzuschichten, um die fehlenden 60 Prozent beziehungsweise 34 Prozent der Haushalte an die sanitäre Versorgung anzuschließen. In Indien könnten zudem die noch fehlenden 370 Millionen Menschen Zugang zu Elektrizität erhalten, wenn das Land dafür nur sechs Prozent seiner Subventionen abbauen würde.

Die neuen Berechnungen für mehr als 180 Staaten der Erde über die Subventionen für fossile Energien einerseits und den Investitionsbedarf in Infrastrukturen andererseits stützen sich auf Daten der Internationalen Energiebehörde (IEA), der Weltbank, sowie zahlreichen Studien zu Infrastrukturkosten. 2011 lagen demnach die Subventionen bei etwa 550 Milliarden US-Dollar. Gleichzeitig haben die Forscher mittels des zu erwarteten Bevölkerungszuwachses den derzeitigen Anteil der Weltbevölkerung ohne Zugang zu Wasser, Strom, sanitärer Versorgung, Telekommunikation und asphaltierten Straßen in die Zukunft projiziert.

Zwar könnten nicht alle Länder den Umbau aus eigener Kraft schaffen: Weltweit sind es oft die Staaten mit den höchsten Subventionen, die bereits weitreichenden Zugang zu Infrastrukturen aufweisen, während Länder mit den größten Infrastrukturlücken oft eher geringe Subventionen aufwenden. „Unsere Studie zeigt indes, dass eine Reihe von Staaten in Afrika und Südasien sowohl hohe Subventionen als auch großen Infrastrukturbedarf haben. Für solche Staaten würden sich Reformen der Subventionen besonders lohnen“, sagt MCC-Direktor Ottmar Edenhofer. „Ob ein solches Ziel erreicht werden kann, hängt sehr stark von der innenpolitischen Gemengelage in den einzelnen Staaten ab. Hier müssten Koalitionen für eine Reform der Subventionen geschmiedet werden. Das Argument der Armutsbekämpfung dürfte hier an Relevanz gewinnen.“



Weitere Informationen:
Jakob, M., C. Chen, S. Fuss, A. Marxen, O. Edenhofer (2015): Development incentives for fossil fuel subsidy reform. Nature Climate Change. doi: 10.1038/nclimate2679


Andere relevante Publikationen:
Jakob, M., J. Hilaire (2015): Using importers’ windfall savings from oil subsidy reform to enhance international cooperation on climate policies. Climatic Change 131(4): 465-472. doi: 10.1007/s10584-015-1406-2