Klimaschutzpfade gesellschaftlich bewerten

MCC-Wissenschaftler haben ein umfassendes Schema entwickelt, das Risiken verschiedener gesellschaftlicher Ziele – wie Klimaschutz und Ernährungssicherheit – gegenüberstellt.

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17.10.2016

„Wenn wir klimapolitisch etwas bewegen wollen, müssen Nutzen und Risiken von Klimaschutz konkret benannt werden“, sagt Michael Jakob vom Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC). Zusammen mit seinem Institutskollegen Jan Steckel schlagen die beiden Forscher eine Systematisierung vor, die die Zielkonflikte unterschiedlicher gesellschaftlicher Ziele transparent macht. Die Arbeit mit dem Titel „Implications of climate change mitigation for sustainable development“ erschien vor kurzem im Fachmagazin Environmental Research Letters.

Klimapolitik kommt demnach oft deshalb nur langsam vor, weil der Klimaschutz nur eines von vielen gesellschaftlichen Zielen ist. Diese stehen oftmals – manchmal auch nur scheinbar – im Konflikt miteinander. Zum Beispiel: Um die globale Erwärmung auf 2°C oder darunter zu begrenzen, wird Biomasse als Energieträger global an Bedeutung gewinnen. Deren Anbau verschlingt allerdings große Flächen Ackerland und übt damit Druck auf Nahrungsmittel, Wälder und Wasservorräte aus. 

Die Autoren plädieren dafür, dem Klimaschutz als gesellschaftliches Ziel nicht per se alle anderen Ziele unterzuordnen. Vielmehr müssen die Risiken verschiedener Zielsetzungen gegeneinander abgewogen werden. Damit es eine aufgeklärte und kompetente gesellschaftliche Debatte geben kann, muss aber allen klar sein, welche Politik unter welchen Voraussetzungen welche Chancen und Risiken mit sich bringt. Das ist nach Ansicht der Autoren Aufgabe der Wissenschaft. In ihrer Arbeit analysieren sie die Folgen von Klimaschutzpolitik unterschiedlicher Ausprägung auf andere gesellschaftliche Ziele wie Nahrungs- und Energiesicherheit sowie die jeweils entstehenden Kosten.

In ihrem Bewertungsschema, das sich auf die Ergebnisse verschiedener Modelle stützt, gehen die MCC-Wissenschaftler von drei verschiedenen Klimapolitiken aus: einer ambitionierten (2°C-Ziel wird erreicht), einer weniger ambitionierten (Temperaturanstieg unter 3°C) und einer, bei der gar kein Klimaschutz betrieben wird (4°C und mehr). So können sie zeigen, dass zwar in einem 2°C-Szenario die Risiken durch Klimaschäden stark sinken, andere Risiken (zum Beispiel CO2-Verpressung oder Atomenergie) dagegen steigen, andere wiederum (zum Beispiel Nahrungssicherheit) sich nicht nennenswert verändern. 

Zusätzlich analysieren sie, wie sich der Verzicht auf bestimmte Technologien auf ein größeres Portfolio von Risiken auswirkt: So hätte zum Beispiel ein globaler Ausstieg aus der Kernenergie zur Folge, dass die Risiken durch CO2-Verpressung ansteigen würden; einen großen Einfluss auf Vermeidungskosten hätte die Politik allerdings nicht.

„Obwohl manche Szenarien beträchtliche Herausforderungen für eine Reihe von Zielen mit sich bringen, gibt es kein Szenario, das in allen analysierten Aspekten besser oder schlechter abschneidet“, betont Steckel. „Wenn wir nicht anerkennen, dass neben dem Klimaschutz auch andere gesellschaftliche Ziele ihre Berechtigung haben, wird es keine erfolgreiche Klimapolitik geben.“

 

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