Kellner, M., Amberg, M., Knopf, B., Edenhofer, O.

Was der Vorschlag der Gaskommission für private Haushalte bedeutet: Substanzielle Entlastung, aber sozial unausgewogen

in MCC-Arbeitspapier, 03.11.2022

Arbeitspapiere , Directorate , Economic Growth and Human Development

Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine und der damit zusammenhängende Ausfall russischer Energielieferungen in Europa führen in Deutschland zu einem starken Anstieg der Energiekosten. Die „ExpertInnen-Kommission Gas und Wärme“, im allgemeinen Sprachgebrauch kurz Gaskommission, hat in ihrem am 31. Oktober vorgestellten Abschlussbericht ein zweistufiges System zur Entlastung der privaten Haushalte vorgeschlagen – bestehend aus einer Einmalzahlung im Dezember 2022 und einem subventionierten Grundkontingent im Zeitraum März 2023 bis April 2024 von 80 % des prognostizierten Jahresverbrauchs. Stufe 1 des Kommissionsvorschlags entlastet den mittleren Gas-Haushalt mit einmalig 210 €. Die Entlastung in Stufe 2 beträgt bei einem durchschnittlichen Gaspreis von 20 ct/kWh 85 € pro Monat. In Summe werden dadurch im Gesamtzeitraum Oktober 2022 bis April 2024 47 % der zusätzlichen Belastung kompensiert – zusätzlich zu Einsparungen durch einen verringerten Verbrauch. Der Vorschlag stellt eine substanzielle Entlastung für alle Haushalte dar. Bei einem hohen Marktpreis von 30 ct/kWh federt allein die Entlastung in Stufe 2 über 60 % der zusätzlichen Kosten in allen Einkommensgruppen ab.


Die Verteilungswirkung der Vorschläge ist allerdings regressiv: Auch nach der Entlastung müssen einkommensschwache Haushalte einen deutlich höheren Anteil ihrer Konsumausgaben zur Deckung der Mehrkosten für Gas aufbringen. Die relativ hohe Entlastung für Ärmere geht einher mit absolut gesehen höheren Entlastungen an Reiche. Der Vorschlag, die Zahlung zu besteuern, würde diesen Effekt wegen der Steuerprogression glätten, erscheint aber derzeit administrativ nicht umsetzbar. Zusätzlich wird diskutiert, beim subventionierten Grundkontingent eine absolute Obergrenze einzuziehen. Das würde eine aus sozialpolitischer Sicht übermäßige Entlastung von einkommensstarken Haushalte mit hohem Gasverbrauch verhindern und zudem die fiskalischen Kosten der Maßnahme senken – doch auch hier gibt es administrative Hürden: Versorgungsunternehmen wissen nicht, ob sich hinter einem Zähler mit hohem Verbrauch der vielzitierte Swimmingpool befindet oder ein Wohnhaus mit mehreren einkommensschwachen Haushalten. Ein Mindestkontingent, das unabhängig vom tatsächlichen Verbrauch gewährt wird, würde hauptsächlich in den ärmsten Haushalten zu einer zusätzlichen Entlastung führen und nur moderate fiskalische Kosten verursachen, trifft jedoch auf dieselben technischen Schwierigkeiten bei der Umsetzung wie eine Obergrenze.


Angesichts der anhaltenden Energiepreiskrise sind auch im nächsten Jahr weitere Entlastungsmaßnahmen zu erwarten. Dadurch entsteht ein für die Bevölkerung nur schwer durchschaubares Geflecht aus Einzelmaßnahmen des Staates, deren Umsetzung jeweils von unterschiedlichen und zum Teil nichtstaatlichen Akteuren wie z. B. Energieversorgungsunternehmen abhängt. Alternativ würde ein einheitliches, verbrauchsunabhängiges Energiegeld eine für private Haushalte klar sichtbare Entlastung schaffen, die einfacher zu besteuern und damit von der Wirkung her sozial abstufbar wäre. Sie würde zudem, da das Energiegeld unabhängig vom Gasverbrauch wäre, einen besonders starken Anreiz zur Einsparung setzen. Um diese Form der Kompensation zu ermöglichen, sollte möglichst schnell ein flexibles System für Direktzahlungen aufgebaut werden.