„Wir müssen die Forschung beforschen”

Bei einem internationalen Workshop am MCC diskutierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedener Fachrichtungen den Umgang mit dem wachsenden Berg an Literatur.

Foto: MCC

18.10.2018

Weit über hundert wissenschaftliche Studien zum Klimawandel erscheinen im Schnitt jeden Tag. Trotzdem fehlt in Wissenschaft und Politik ein tiefes Verständnis dafür, welche Lösungsmöglichkeiten es gibt und wie sie wirken. Dieses Dilemma diskutierten mehr als 70 Forscherinnen und Forscher aus über 20 Ländern am Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) in Berlin. Der dreitägige Workshop „Learning on Climate Solutions“ wurde unterstützt durch das International Development Research Centre (IDRC) und die Universität Leeds.

Die Ergebnisse der Konferenz sind wichtig, um wissenschaftliche Lernprozesse zu Lösungsstrategien zu beschleunigen – sie sind damit auch von Bedeutung für den kommenden, sechsten Sachstandsbericht (AR6) des Weltklimarates IPCC. Im Gegensatz zum letzten Bericht, der den Fokus auf den Nachweis des menschengemachten Klimawandels legte, sollen im AR6 Lösungsstrategien noch stärker in den Vordergrund rücken. „Angesichts der Literaturexplosion in der Klimawissenschaft in den letzten Jahren wird es immer schwerer den Überblick über den aktuellen Forschungsstand zu behalten“, sagt Jan Christoph Minx, Gruppenleiter am MCC und Hauptorganisator des Workshops.

„Wir müssen daher die vielen zerstreuten Einzelergebnisse in der Literatur zunächst sichten und dann mit Methoden der Forschungssynthese beforschen. Nur durch ein tiefes Verständnis davon, warum sich Forschungserbnisse unterscheiden, wird Lernen möglich. So kann der Politik eine solide wissenschaftliche Informationsbasis bereitgestellt werden“, ergänzt Minx, der auch Professor am Priestley International Centre for Climate der Universität Leeds ist.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler greifen für ihre Analysen auf Methoden der Forschungssynthese zurück, wie sie in den Gesundheitswissenschaften schon lange etabliert sind. Dazu kommen aber auch moderne ‚Big Data‘-Methoden. Sie ordnen und verknüpfen Erkenntnisse aus verschiedenen Forschungsbereichen und bereiten sie so auf, dass diese in wissenschaftlichen Sachstandsberichten, etwa vom IPCC, leicht aufgegriffen werden können.

„Wir rechnen mit mehr als 300 000 peer-reviewten Publikationen zum Thema Klimawandel, die für den AR6 von Bedeutung sein werden“, sagt Lea Berrang-Ford von der University of Leeds. „Das ist eine gigantische, nahezu lähmende Aufgabe für die Wissenschafts-Community. Es ist entscheidend, dass wir die Methoden der Forschungssynthese weiterentwickeln, wenn wir die Glaubwürdigkeit des Assessment-Prozesses erhalten wollen."

Insbesondere nachfrageseitige Lösungen des Klimaproblems – etwa Einsparungen beim Energiebedarf –  finden in der wissenschaftlichen und politischen Debatte bislang noch wenig Beachtung. „Die systematische Auswertung der Literatur gibt uns die Möglichkeit besser zu verstehen, wie sich Verhalten, soziale Normen und städtebauliche Gestaltung auf klimafreundliche Lebenstile auswirken“, betont Felix Creutzig. Er leitet die MCC-Arbeitsgruppe Landnutzung Infrastruktur und Transport und ist beim AR6 verantwortlich für das Kapitel zu nachfrageseitigen Lösungen.

Auf dem Workshop in Berlin wurde unter anderem diskutiert, welche Forschungsthemen im Hinblick auf den AR6 besonders relevant sind. Dabei wurden auch Teams für die verschiedenen Gebiete gebildet, die sich mit der Auswertung der entsprechenden Erkenntnisse befassen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wurden zudem in den Methoden der Forschungssynthese geschult und mit den verschiedenen IT-gestützten Möglichkeiten vertraut gemacht.