Die Politik muss jetzt das Thema CO2-Entnahmen anpacken

Eine neue Studie zeigt die Innovationslücke und den Regelungsbedarf. Auftraggeber: die von der Bundesregierung eingesetzte Wissenschaftsplattform Klimaschutz.

Luftfilter-Anlage „Orca“ in Island. Im bislang größten Pilotprojekt für Direct Air Capture, gestartet im September 2021, extrahiert die Firma Climeworks jährlich 4.000 Tonnen CO2. | Foto: Climeworks

07.02.2022

Zwischen 5 und 10 Prozent der gegenwärtigen Treibausgas-Emissionen Deutschlands wird es voraussichtlich auch noch 2045 geben, also im Jahr eins der im Bundes-Klimaschutzgesetz vorgegebenen Treibhausgasneutralität. In dieser Größenordnung muss das Land dann zum Ausgleich Klimagas aus der Atmosphäre zurückholen. Die Politik muss jetzt handeln, um die beträchtliche Innovationslücke in diesem Bereich zu schließen und Rahmenbedingungen der Umsetzung zu entwickeln. Diese Botschaft vermittelt die Wissenschaftsplattform Klimaschutz, die die Bundesregierung bei der Klimastrategie berät, mit einer von ihr beauftragten Studie. Die Federführung lag beim Berliner Klimaforschungsinstitut MCC (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change).

Demnach liegt der entscheidende Zeitraum für die Einführung der groß angelegten CO2-Entnahmen zwischen 2030 und 2050, er beginnt also schon in acht Jahren. „Sie können kein Ersatz für CO2-Reduktionen sein – sie dienen in erster Linie dazu, nicht vermeidbare Emissionen zu kompensieren“, betont Sabine Fuss, Leiterin der MCC-Arbeitsgruppe Nachhaltiges Ressourcenmanagement und globaler Wandel und Leitautorin der Studie. „CO2-Entnahmen können aber auch die Kosten und sozialen Auswirkungen des Klimaschutzes verringern, die durch extrem teure Emissionsvermeidungs-Optionen entstehen würden.“

Das Papier informiert auf rund 60 Seiten über mögliche Technologien, Hindernisse für den großskaligen Einsatz sowie Optionen für Regulierung und Förderung. Das Forschungsteam verweist auf erste Szenarien, wonach ein klimaneutrales Deutschland Restemissionen von jährlich 37 bis 73 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente durch CO2-Entnahme kompensieren muss. Kritisch sieht es den im Klimaschutzgesetz gelegten Fokus auf Wälder, Äcker und Moore: Für das kosteneffektive und sichere Erreichen solcher Mengen braucht es einen breiten Technologie-Mix – zur Diskussion stehen etwa auch große Luftfilter-Anlagen („Direct Air Capture“) sowie die Kombination aus Klimaplantagen und Biomasse-Kraftwerken mit Abscheiden und unterirdischem Verpressen von CO2. Eine Perspektive ist die Förderung im Rahmen der CO2-Bepreisung: Wer Klimagas aus der Atmosphäre holt, bekäme dann pro Tonne so viel Geld, wie für noch verbleibende Emissionen bezahlt werden muss. Dazu wäre allerdings ein umfassendes Monitoring-System nötig.

„Entscheidend ist, dass die Bundesregierung jetzt eine Strategie für die langfristige Entwicklung und Nutzung negativer Emissionen entwickelt“, sagt Ottmar Edenhofer, Direktor des MCC und einer der beiden Vorsitzenden des Lenkungskreises der Wissenschaftsplattform. „Die Strategie sollte die Einsatzmöglichkeiten und Potenziale verschiedener Optionen genauer untersuchen, die notwendigen rechtlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen sowie Fördermaßnahmen entwickeln und nicht zuletzt einen breiteren gesellschaftlichen Diskurs zu dieser Thematik anstoßen.“

 

Weitere Informationen:

  • Fuss, S., Gruner, F., Hilaire, J., Kalkuhl, M., Knapp, J., Lamb, W., Merfort, A., Meyer, H., Minx, J., Strefler, J., 2021, CO2-Entnahmen: Notwendigkeit und Regulierungsoptionen. Studie im Auftrag der Wissenschaftsplattform Klimaschutz, Berlin
    https://www.wissenschaftsplattform-klimaschutz.de/files/WPKS_Gutachten_MCC_PIK.pdf
  • Pressemitteilung der Wissenschaftsplattform Klimaschutz, hier.
  • MCC-Kurzdossier „So kommt Treibhausgas raus aus der Atmosphäre“, hier.