MCC-Gruppenleiterin Fuss empfiehlt eine schnellere und entschiedenere Emissionsreduktion, um die Abhängigkeit von CO2-Entnahme-Techniken zu verringern.
Um den globalen Temperaturanstieg auf möglichst 1,5 Grad zu begrenzen wird der großskalige
Entzug von CO2 aus der Atmosphäre nötig sein. Das geht aus dem Sonderbericht über 1,5 Grad Celsius globale Erwärmung des Weltklimarats (IPCC) hervor, an dem
Sabine Fuss vom Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) als Leitautorin mitgewirkt hat. Demnach ist das 1,5-Grad-Ziel zwar nicht unerreichbar, stellt jedoch die Staatengemeinschaft in den kommenden Jahren vor enorme Herausforderungen. Das Ausmaß der CO
2-Entnahme kann laut dem Bericht jedoch durch eine tiefgreifende Veränderung auf der Nachfrageseite begrenzt werden, etwa durch eine verminderte Energienachfrage oder einen geringeren Fleischkonsum.
„Je länger die Welt mit ambitionierten Maßnahmen zum Klimaschutz wartet, desto entscheidender wird die Bedeutung von CO
2-Entnahme-Technologien für das 1,5-Grad-Ziel“, sagt Fuss, die am MCC die
Arbeitsgruppe Nachhaltiges Ressourcenmanagement und globaler Wandel leitet und eine entsprechende Professur an der Humboldt-Universität zu Berlin innehat. „Eine entschiedene und erheblich schnellere Einsparung von Emissionen kann die Abhängigkeit von diesen Technologien aber verringern.“
Der Entzug von CO2 aus der Atmosphäre spielt in dem am Montag veröffentlichten IPCC-Sonderbericht zum 1,5-Grad-Ziel eine entscheidende Rolle. Die Wissenschaft hat dabei belastbare Ergebnisse geliefert, um den Beitrag von CO2-Entnahme zum Klimaschutz zu bewerten: Aufgrund des geringen verbleibenden Kohlenstoffbudgets ist das 1,5-Grad-Ziel ohne sie nicht mehr erreichbar.
Unter Maßnahmen für CO2-Entnahme fallen vergleichsweise gewöhnliche Optionen wie etwa Aufforstungsprogramme, bei denen die wachsenden Bäume vorhandene Emissionen binden. Es gibt auch Mineralien, die – in kleine Teilchen zermahlen und auf landwirtschaftliche Flächen ausgebreitet – CO2 absorbieren. Die am meisten diskutierte Technik ist Bioenergie mit CO2-Abscheidung und -Speicherung (Bioenergy with Carbon Capture and Storage, BECCS). Dabei wird Biomasse zum Beispiel in Kraftwerken verbrannt und das frei werdende CO2 umgehend abgeschieden und in geologischen Tiefenlagern gespeichert.
Der Bericht zeigt, dass die jeweiligen CO2-Entnahme-Technologien sich in Kosten, Nebenwirkungen, Entwicklungsstand und Langfristigkeit der Speicherpotenziale erheblich unterscheiden, etwa bei der Landnutzung, dem Wasserverbrauch oder dem Energiebedarf. „Bei einer etwaigen Verwendung im großen Stil werden sie mitunter auf deutlich sichtbare Grenzen stoßen“, sagt Fuss. „Daher wird Klimaschutz, der sich stark auf CO2-Entnahme verlässt, derzeit kontrovers diskutiert und stößt auf geringe Akzeptanz in der Öffentlichkeit.“
Der IPCC-Sonderbericht betont vor diesem Hintergrund auch die
wachsende Bedeutung der Nachfrageseite. So können beispielsweise Einsparungen bei der Energienachfrage oder der Verzicht auf Produkte mit einem großen „Landfußabdruck“ einen Unterschied machen. Drastische Einsparungen auf der Nachfrageseite können die CO
2-Entnahme bis Ende des Jahrhunderts im besten Fall bis auf 100 Gigatonnen CO
2 begrenzen. „Auch nachfrageseitige Lösungen werfen aber Fragen der Akzeptanz und damit der Machbarkeit auf. Es gilt, hier die verschiedenen Optionen zu bewerten“, sagt Fuss.