Klima-Migration setzt Städte unter Druck
Am Beispiel Indiens analysiert eine MCC-Studie die Wanderungsbewegungen weg aus dem ländlichen Raum. Vor allem Geringqualifizierte suchen Wohnungen und Jobs.
Die Städte rund um den Globus müssen sich infolge des Klimawandels auf eine große und schwierige Aufgabe einstellen: Sie müssen unzählige Klima-Migranten aus ländlichen Gegenden unterbringen und in den Arbeitsmarkt integrieren. Eine Studie des Berliner Klimaforschungsinstituts MCC (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change) untersucht, wer aufgrund des Klimawandels in indische Städte zieht. Es zeigt sich, dass diese Klima-Migranten im Vergleich zu anderen Migranten weniger gut qualifiziert sind und aus der Landwirtschaft kommen. Die Studie wurde jetzt in der renommierten Fachzeitschrift World Development veröffentlicht.
Die Studie stützt sich auf Temperatur- und Niederschlagsdaten für ganz Indien, in bisher unerreichter Qualität mit einer hohen geografischen Auflösung. Gleichzeitig wurden aus dem repräsentativen Haushaltspanel India Human Development Survey die genauen Wanderungsbewegungen ausgelesen. „Dabei sind wir offenbar die Ersten, die die berufliche Qualifikation der Klima-Migranten in den Blick nehmen“, berichtet Barbora Sedova, Leitautorin der Studie und Forscherin in der MCC-Arbeitsgruppe Wirtschaftswachstum und menschliche Entwicklung. „Über die Merkmale Bescheid zu wissen, kann hilfreich sein bei der Vorbereitung auf die bevorstehenden Herausforderungen, insbesondere die Integration in den Arbeitsmarkt.“ Der Studie zufolge sind insgesamt 19 Millionen Menschen zwischen 2005 und 2012 aus ländlichen Gegenden in indische Städte abgewandert. Davon hätten sich 8 Prozent, also 1,5 Millionen, aufgrund des Klimawandels auf den Weg gemacht; dieser Anteil werde voraussichtlich steigen.
Durch statistische Analysen weist das Autorenteam nach: Ereignisse mit Bezug zum Klimawandel, wie Hitzewellen, Dürren, aber auch abnorm hohe Niederschlagswerte treiben die Menschen insgesamt verstärkt in die Städte. Zugleich nimmt, wenn eine ganze Region von einem Extremwetterereignis getroffen wird, die Abwanderung in andere ländliche Gebiete ab, da es insgesamt weniger Chancen gibt. Und wenn es infolge von wetterbedingten Einkommens- und Vermögensverlusten an finanziellen Mittel fehlt, gibt es auch weniger Migration ins Ausland.
Immerhin, so heißt es im Fazit der Studie, berge die Migration auch eine Chance: Wenn sie politisch vernünftig gemanagt wird, ist sie durchaus eine sinnvolle und potenziell notwendige Strategie der Anpassung an den Klimawandel, der ja trotz aller Bemühungen um Emissionsminderung in gewissem Umfang unausweichlich erscheint. „Wir sehen, dass Bildung ein Treiber für Urbanisierung sein kann, also fachlich geschulte junge Leute ihr Glück in den Städten suchen – doch der Klimawandel verändert die Mechanismen von Migration und das Profil der Zuzügler“, betont MCC-Forscherin Sedova. „Es wird in Zukunft noch wichtiger, dass die politisch Verantwortlichen Aufstiegsmöglichkeiten für Ungelernte fördern.“
Weitere Informationen:
Sedova, B., Kalkuhl, M., 2020, Who are the climate migrants and where do they go? Evidence from rural India, World Development
https://doi.org/10.1016/j.worlddev.2019.104848