Klimaschutz: Nachfrageseite besser erforschen

Individuelle Verhaltensmuster, Lebensstile und soziale Normen haben großen Einfluss auf die Emissionen. Die Wissenschaft sollte mehr darüber lernen, rät Felix Creutzig vom MCC in „Nature Climate Change“.

Konsumverhalten, Lebensstile, soziale Normen, Kohle, Kohleausstieg

Foto: Shutterstock / woaiss

04.04.2018

Wie sehr Konsum, Verhalten und individuelle Lebensstile zur Einsparung von Treibhausgasen beitragen können, ist bisher nur unzureichend erforscht. Meist hat die Wissenschaft eher untersucht, unter welchen Voraussetzungen sich emissionsarme Technologien durchsetzen können. Die Forschung sollte diese sogenannte „Angebotsseite“ künftig stärker um den Fokus auf die Nachfrageseite erweitern. Dazu rät ein Forscherteam um Felix Creutzig, Gruppenleiter am Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC). Das gilt auch mit Blick auf den anstehenden sechsten IPCC-Sachstandsbericht, der erstmals ein ganzes Kapitel über die Nachfrageseite des Klimaproblems enthalten soll. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben einen entsprechenden Kommentar im renommierten Fachmagazin „Nature Climate Change“ veröffentlicht.

Oft sind mit Lösungen auf der Nachfrageseite weniger Risiken für Mensch und Umwelt verbunden als mit Eingriffen auf der Angebotsseite. Ein gutes Beispiel für die Risiken auf der Angebotsseite ist etwa die Energieerzeugung mit Biomasse: Verglichen mit fossilen Brennstoffen spart das zwar CO2 ein, der Anbau der nötigen Pflanzen verbraucht aber sehr viel Land. Dieses fehlt dann wiederum für den Anbau von Nahrung oder den Bau von Häusern. 

 „Wir müssen die verschiedenen Ansätze für nachfrageseitige Lösungen viel stärker zusammenführen und systematisch bündeln, so geben wir dem Thema mehr Gewicht“, sagt Leitautor Creutzig. „Dafür ist eine Forschungssynthese verschiedenster Disziplinen nötig – Ökonomie, Soziologie, Psychologie, aber auch zum Beispiel Ingenieurswissenschaften, Geographie und Marketing. Wir müssen verstehen lernen, warum bestimmte Konsummuster und Verhaltensweisen vorherrschen und welche Normen, Werte und Präferenzen ihnen zugrunde liegen.“

Als gemeinsamen Rahmen für die disziplinübergreifende Kommunikation und Forschung schlagen die Autoren den sogenannten ASI-Ansatz vor – die Abkürzung steht für „Avoid-Shift-Improve“ (Vermeiden-Verschieben-Verbessern). Der Ansatz ermöglicht es, die verschiedenen Politikoptionen zum besseren Vergleich in Kategorien einzuordnen. Bezogen auf das Beispiel Transportsektor lässt sich etwa durch eine intelligente Stadtplanung oder vermehrtes Arbeiten von zu Hause Verkehr vermeiden. Mit Hilfe eines besser ausgebauten öffentlichen Nahverkehrs lässt sich der Verkehr zudem auf klimafreundliche Transportmittel verschieben. Und durch die Nutzung von Elektroautos wird der vorhandene Individualverkehr – bezogen auf die Emissionen – verbessert.

„Die Angebotsseite des Klimaschutzes bleibt aber der zentrale Baustein sowohl unserer Forschung am MCC als auch beim IPCC“, betont MCC-Direktor Ottmar Edenhofer. „Mit Blick auf die Nutzung fossiler Energien – und nicht zuletzt die Kohlefrage – dürfen wir jetzt nicht nachlassen. Ein schneller Kohleausstieg ist entscheidend dafür, dass wir die Tür zum Erreichen des 2-Grad-Ziels offenhalten.“

Die Politik sollte sich laut Edenhofer international für wirksame CO2-Preise starkmachen und die Kohleregionen, beispielsweise in Deutschland, bei ihrem Strukturwandel voranbringen. „Die Nachfrageseite könnte dabei unterstützend wirksam sein“, sagt der MCC-Direktor. „Mit einer an das schwankende Angebot von Wind- und Solarstrom angepassten Nachfrage, kann der Kohleausstieg beschleunigt werden.“

 

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