Negative Emissionen keine Wunderwaffe für den Klimaschutz

MCC-Wissenschaftler haben einer Studie in „Nature Climate Change“ mitgearbeitet, die zeigt: Der Luft CO2 zu entziehen, birgt erhebliche Konflikte.

Foto: Photocase / Oli_ok

08.12.2015

Die Begrenzung des Klimawandels wird bei einer etwaigen großindustriellen Verwendung neuer Technologien für den CO2-Entzug aus der Atmosphäre auf deutlich sichtbare Grenzen stoßen. Laut der Studie „Biophysical and economic limits to negative CO2 emissions” bergen die Techniken für so genannte negative Emissionen erhebliche Konflikte etwa für Landnutzung, Wasserverbrauch oder Energiebedarf. Wissenschaftler des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) waren an der Arbeit, die jetzt in Nature Climate Change erschienen ist, maßgeblich beteiligt. Die Autoren betonen darin, dass die Menschheit ihre Treibhausgasemissionen sehr bald und sehr schnell reduzieren muss.

Negative Emissionen sind Techniken, mit der das klimaschädliche CO2 der Atomsphäre wieder entzogen werden soll. Dazu gehören vergleichsweise gewöhnliche Optionen wie etwa Aufforstungsprogramme, bei denen die wachsenden Bäume vorhandene Emissionen binden. Es gibt auch Gesteine, die – in kleine Teilchen zermahlen und auf landwirtschaftliche Flächen ausgebreitet – CO2 absorbieren. Eine der wichtigsten Technik ist „Bio Energy with Carbon Capture and Storage“. Dabei wird Biomasse in Kraftwerken verbrannt und das frei werdende CO2 umgehend abgeschieden und in geologischen Tiefenlagern gespeichert.

Die neuen Ergebnisse gewinnen vor dem Hintergrund der derzeit laufenden UN-Klimaverhandlungen in Paris an zusätzlicher Relevanz. Sie sind eine Warnung, negative Emissionen nicht als Sicherungsnetz für eine aktuell zu geringe CO2-Reduktion einzuplanen. Eine solche Einstellung ist demnach risikoreich – sie kann dazu verleiten, weiterhin CO2 in die Atmosphäre zu leiten und so das Erreichen des Zwei-Grad-Ziels zu erschweren. „Plan A“ muss es laut der Studie daher sein, die Treibhausgase energisch und möglichst umgehend zu reduzieren. Denn der „Plan B“ für negative Emissionen könnte an Beschränkungen durch Ökonomie, Energie und Umwelt scheitern.

„Die Verhandler bei der UN-Klimakonferenz in Paris sollten sich klar machen, dass das Wetten auf negative Emissionen uns nicht davon entbindet, jetzt schon CO2 zu reduzieren“, sagt Co-Autorin Sabine Fuss, Gruppenleiterin für Nachhaltiges Ressourcenmanagement und Globaler Wandel am MCC und Mitglied im Lenkungsausschuss des Global Carbon Projects (GCP). „Unsere Forschung zeigt für die unterschiedlichen Techniken zum CO2-Entzug aus der Atmosphäre deutlich die Grenzen auf – einige beanspruchen große Landflächen, andere sind sehr energieintensiv. Die weitere Forschung sollte sich daher nicht nur auf BECCS konzentrieren, sondern alle Optionen für negative Emissionen in den Blick nehmen: Wir werden beim Klimaschutz möglichst viele Karten auf der Hand halten müssen, auch wenn wir sie nicht alle ausspielen.“

An der neuen Forschungsarbeit im Auftrag des GCP waren 40 Wissenschaftler beteiligt, darunter drei vom MCC. Die Mitarbeiter des Instituts konzentrierten sich neben anderen Aspekten vor allem auf die Destillierung von Kernergebnissen zu den Grenzen von Bioenergie und Wiederaufforstung und analysierten die Szenarien aus dem jüngsten Bericht des Weltklimarates IPCC und anderen Modellvergleichen mit Blick auf den Einsatz von BECCS. So gehen 85 Prozent dieser Szenarien zum Erreichen des Zwei-Grad-Ziels davon aus, dass die Welt Technologien wie etwa BECCS für negative Emissionen einsetzt.

„Es ist weiterhin realistisch, den Anstieg der globalen Mitteltemperatur auf nicht mehr als zwei Grad zu begrenzen. Zwar sind negative Emissionen dafür eine Voraussetzung – doch das sind sie auch, wenn wir ein Drei-Grad-Ziel schaffen wollen“, sagt MCC-Direktor Ottmar Edenhofer. „Ein effektives Instrument, um jetzt möglichst schnell die steigenden Emissionen zu senken, wäre eine CO2-Bepreisung. Sie würde dem technologischen Fortschritt die richtige Richtung geben und uns weniger abhängig von negativen Emissionen machen, die große Unsicherheiten bergen.“


Weitere Informationen: