Politische Landkarte für die Energiewende

Studien zur Energiewende beziehen zwar häufig klar Position, sie reflektieren aber die Werteinstellungen der Forscher und ermöglichen in ihrer Gesamtheit Kompromisse.

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12.01.2017

Die meisten Studien beziehen deutlich Position zur Energiewende – und lassen sich damit klar den politischen Lagern der Befürworter oder der Skeptiker zuordnen. Wissenschaftliche Erkenntnisse werden genutzt, um politische Narrative und deren Wertstandpunkte zu stärken. Allerdings sind die jeweiligen Positionen meist auch transparent, und die Argumente der Gegenseite werden berücksichtigt. Daher gelingt den Studien in ihrer Summe eine differenzierte Politikberatung, die für die konkrete politische Ausgestaltung Alternativen aufzeigt und den Boden für politische Kompromisse bereitet.

Das sind Ergebnisse der Studie „Advocates or cartographers? Scientific advisors and the narratives of German energy transition“. Anna Leipprand und Christian Flachsland vom Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) haben sie jetzt gemeinsam mit Michael Pahle vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) im Fachmagazin „Energy Policy“ veröffentlicht.

Die ursprünglich in Konflikt zueinander stehenden politischen Narrative zur Energiewende haben sich mit der Zeit einander angenähert. „Die Studien haben diesen Prozess unterstützt, indem sie Brücken zwischen den gegensätzlichen Positionen gebaut haben“, sagt Leitautorin Anna Leipprand. „Zusammengenommen ergeben sie heute die Basis für eine Art politische Landkarte der Energiewende, die verschiedene Politikpfade und ihre Konsequenzen vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Wertvorstellungen zur Auswahl stellt.“

Auf der Grundlage ihrer Analyse schlagen die Autoren auch vor, dass die Fahrt aufnehmende Debatte über den deutschen Kohleausstieg zu einem neuen Schwerpunkt wissenschaftlicher Politikberatung werden sollte. „Darüber, auf welchem Weg und vor allem wie schnell das Ende der Kohleverstromung kommen soll, wird derzeit äußerst kontrovers diskutiert“, sagt Flachsland. „Wenn wir uns aber die hinter den politischen Vorschlägen stehenden Wertvorstellungen explizit bewusst machen, können leichter Kompromisse gefunden werden.“

Die neue Studie des MCC ist ein Beispiel für empirische Untersuchungen zum theoretischen Modell wissenschaftlicher Politikberatung, das das Institut eigens entworfen hat: Das sogenannte „pragmatisch-aufgeklärte Modell“ (Pragmatic-Enlightened Model, PEM) geht davon aus, dass Wissenschaftsexperten, Entscheidungsträger und die Gesellschaft in einem kontinuierlichen Zusammenspiel schrittweise voneinander lernen. Gemeinsam sollen sie demnach alternative Politikpfade und deren Chancen und Risiken erkunden, um soziale Konflikte, Synergien und Unsicherheiten transparent zu machen und tragfähige politische Lösungen aufzuzeigen.

 

Weitere Informationen:

Leipprand, Anna; Flachsland, Christian; Pahle, Michael (2017): Advocates or cartographers? Scientific advisors and the narratives of German energy transition. Energy Policy, volume 102, pages 222–236.