Studie beleuchtet den Klimaeffekt von Besiedlung

Eine empirische Analyse von 113 Ländern zeigt: den Bodenverbrauch eindämmen ist ein zentrales Element erfolgsversprechender Klimaschutzstrategien.

Innenstadt von New York: Das Muster von baulichen Strukturen ist entscheidend für den CO2-Ausstoß. | Foto: Shutterstock/GaudiLab

04.07.2023

Eine flächensparende Stadt- und Regionalentwicklung ist zentral für das Erreichen langfristiger Klimaziele. Das ist das Fazit einer vom Berliner Klimaforschungsinstitut MCC (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change) mitverfassten empirischen Studie von 113 Ländern. Sie stellt 16 Indikatoren vor, um auf nationaler Ebene die Muster von baulichen Strukturen wie Siedlungen und Verkehrswegen zu charakterisieren, und ermittelt die Korrelation mit Energieverbrauch und CO2-Ausstoß. Die Leitung der Studie lag bei der Universität für Bodenkultur Wien. Sie wurde jetzt in der renommierten Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht.

Bekanntermaßen beeinflussen gebaute Strukturen wie Siedlungen und Verkehrsinfrastrukturen den Pro-Kopf-Energiebedarf und die CO2-Emissionen in Städten. Unbekannt war bisher, welche Rolle gebaute Strukturen auf nationaler Ebene spielen, weil dies mangels geeigneter Indikatoren bisher nicht untersucht werden konnte. Die Diskussion konzentrierte sich auf andere potenzielle Determinanten, vor allem das Bruttoinlandsprodukt (BIP). Die Studie stellt nun fest: Gebaute Strukturen sind für die Vorhersage des Klima-Effekts etwa gleich wichtig wie das BIP.

„Dies ist plausibel, da Straßen, Autobahnen, Parkplätze und Gebäude für ihren Bau und ihre Nutzung Energie benötigen, was in unseren von fossilen Brennstoffen dominierten Energiesystemen zu hohen CO2-Emissionen führt“, erläutert Felix Creutzig, Leiter der MCC-Arbeitsgruppe Landnutzung, Infrastruktur und Transport und ein Co-Autor der Studie. „Zusätzlich bebaute Fläche bedeutet auch eine größere beheizte oder gekühlte Fläche in Gebäuden und längere Entfernungen zwischen den Zielen, was den Energiebedarf in Gebäuden und im Verkehr erhöht.“

Die Analyse bedeutet, dass die Erkenntnisse aus Studien über Städte im Allgemeinen auch auf nationaler Ebene gelten. Die Indikatoren haben zudem eine erhebliche zusätzliche Erklärungs- und Vorhersagekraft gegenüber herkömmlichen Faktoren. Sie können dazu beitragen, wesentlich stärkere Modelle für Energieeinsatz und CO2-Emissionen auf nationaler Ebene zu entwickeln, als dies bisher möglich war. Damit wird es der Forschung ermöglicht, ihre Fähigkeiten zur Analyse und Modellierung von Szenarien zu erweitern: Sie kann Muster von gebauten Strukturen als entscheidende Faktoren einbeziehen, wenn es um die Frage einer möglichen Entkopplung von Energienutzung und Emissionen vom BIP oder vom gesellschaftlichen Wohlergehen geht.

Die Studie zeigt auch, dass Ausmaß und Muster gebauter Strukturen die Unterschiede zwischen Ländern bei Energienachfrage und CO2-Emissionen stark beeinflussen. Hingegen spielt die Bevölkerungsdichte eine geringere Rolle als bisher angenommen. Der Indikator mit der stärksten und konsistentesten Vorhersagekraft über alle Analysen hinweg ist die bebaute Fläche pro Kopf, die sich in den meisten statistischen Analysen als die zweitwichtigste Variable nach dem BIP herausstellt. Dies gilt auch in Analysen, die den BIP-Effekt berücksichtigen.

„Eine Begrenzung des Bodenverbrauchs für neue Gebäude und Infrastrukturen entpuppt sich damit als zentrales Element erfolgreicher Klimaschutzstrategien“, resümiert der Leitautor der Studie, Helmut Haberl vom Institut für Soziale Ökologie der Universität für Bodenkultur Wien.

Quellenhinweis zur zitierten Studie:
Haberl, H., Löw, M., Perez-Laborda, A., Matej, S., Plank. B., Wiedenhofer, D., Creutzig, F., Erb, K., Duro, J., 2023, Built structures influence patterns of energy demand and CO2 emissions across countries, Nature Communications
https://www.nature.com/articles/s41467-023-39728-3