Wie Städte 25 Prozent weniger Energie brauchen

Kürzere Pendlerstrecken, mehr Radwege, höhere Benzinpreise: Die jeweilige Politik muss an den Stadttyp angepasst werden.

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13.01.2015

Laut einer neuen Studie im Fachmagazin Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) kann der künftige Energiehunger von Großstädten durch geschickte Raumplanung um rund ein Viertel von 730 EJ auf 540 EJ bis zum Jahr 2050 gesenkt werden. Falls jedoch die Urbanisierung stattdessen wie derzeit voranschreitet, dürfte sich der Energieverbrauch der Städte weltweit bis 2050 sogar verdreifachen. Das größte Potenzial zur Energieeinsparung liegt zu 86 Prozent in den Städten von Entwicklungsländern in Asien, Afrika und dem Nahen Osten. Um es freizusetzen, müsste vor allem dort die Städteplanung stärker auf kurze Pendlerwege mit dem öffentlichen Nahverkehr zwischen der Arbeit und zuhause setzen.

Die Wissenschaftler des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) haben zusammen mit Kollegen der Yale University, der University of Maryland sowie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung auch Möglichkeiten zur Verminderung des Klimawandels in bereits entwickelten Städten herausgefunden. Für ihren PNAS-Artikel „A Global Typology of Urban Energy Use and Potentials for an Urbanization Mitigation Wedge” haben die Wissenschaftler unter anderem Daten der Weltbank genutzt und so die künftige Entwicklung von 274 Städten weltweit modelliert.

„Unsere Forschung ermöglicht entscheidende neue Erkenntnisse darüber, wie Städte die Auswirkungen des Klimawandels möglichst effektiv abmildern können“, sagt Felix Creutzig, Leitautor der PNAS-Studie und Leiter der MCC-Arbeitsgruppe Landnutzung, Infrastrukturen und Transport. Demnach gibt es weltweit acht verschiedene Stadttypen, die mit jeweils unterschiedlichen Strategien ihren Einfluss maximieren können. Mit Blick auf die konkrete Politik betont Creutzig: „Das Potenzial zur CO2-Minderung ist am größten in rasant wachsenden Städten und dort, wo die Infrastrukturen noch nicht so festgefahren sind. So kann das Lock-in-Muster hoher Emissionen vermieden werden.“

In Changsha in China und Dar es Salaam in Tanzania etwa ist die Infrastruktur noch soweit im Entwicklungsstadium, dass sich noch viele Möglichkeiten zur Gestaltung der Stadtform bieten. Doch auch in „fertigen“ Städten besteht Potenzial: In den USA könnte zum Beispiel in Boulder, Colorado, eine Erhöhung des Benzinpreises zu einer kompakteren Stadtstruktur führen. Und die Hansestadt Hamburg könnte durch die Verbindung ihre Außenbezirke mit dem Zentrum durch mehr öffentlichen Nahverkehr und Radwege erheblich Energie sparen. In diesem Kontext kommt der nationalen Politik eine wichtige Rolle zu: „In Staaten wie Iran oder den USA würde eine Erhöhung des Benzinpreises einen großen Anreiz für einen Schwenk zu energieeffizienten Städten schaffen“, sagt Creutzig.

Erst kürzlich hat der Weltklimarat IPCC die Bedeutung von Städten zur Milderung des Klimawandels betont. Demnach verbrauchen sie bis zu 76 Prozent der Energie weltweit und verursachen rund dreiviertel der globalen CO2-Emissionen. Derzeit lebt mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten, Tendenz stark steigend. „Unsere Studie geht über die jüngsten IPCC-Ergebnisse hinaus, da sie die Ursachen des städtischen Energieverbrauchs benennt und weltweite effektive Gegenstrategien benennt“, sagt Karen Seto, Professorin für Urbanisierung an der Yale University und Leiterin des IPCC-Kapitels über Städte.

„Wir wissen, dass das Wachstum in den Städten Asiens, Afrikas und des Nahem Ostens enorm und schnell ist, was großen Einfluss auf die globalen Emissionen hat“, sagt Co-Autorin Seto. „Aber diese Studie zeigt auf, dass sich uns auch die Möglichkeit zur Beeinflussung bietet, wie sich diese Städte entwickeln und so Emissionen einsparen können.“

„Unsere Methode hat es uns nicht nur ermöglicht, die Unterschiede all dieser Städte in den Blick zu nehmen, sondern auch auf globaler Ebene zu benennen, wie viel sie gemeinsam an Energie und Treibhausgasen einsparen können“, sagt Giovanni Baiocchi, Geografie-Professor an der University of Maryland. „In China sind die Stadtgebiete aufgrund ihres besonders hohen Energiehungers und der Kohleabhängigkeit des Landes für mehr als 80 Prozent der landesweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Es ist daher wichtig, dass China weiter in Energieeffizienz und –erhaltung investiert, etwa durch strengere Gebäuderichtlinien.“

Weitere Informationen:

Creutzig, Felix; Baiocchi, Giovanni; Bierkandt, Robert; Pichler, Peter-Paul; Seto, Karen (2015): A Global Typology of Urban Energy Use and Potentials for an Urbanization Mitigation Wedge, Proceedings of the National Academy of Sciences, doi: 10.1073/pnas.1315545112