Die Argumentationsmuster der Klimaschutz-Verhinderer

Zu teuer, zwecklos, und andere sollten mehr tun: Eine neue Studie beleuchtet, was in der öffentlichen Debatte zur Erderwärmung an Ausreden fürs Nichtstun kursiert.

Gelbwesten-Proteste in Paris (Archivbild): Dass Klimaschutz die sozial Schwachen überfordere, ist laut Studie nur eins von insgesamt zwölf Argumentationsmustern. | Foto: Shutterstock/N. Economou

01.07.2020

Wer den menschengemachten Klimawandel einfach leugnet und die Wissenschaft offen ignoriert, findet bei den politisch Verantwortlichen kaum noch Gehör. Trotzdem tut sich zu wenig – nach den Berechnungen des Weltklimarats werden die im Paris-Abkommen verabredeten Temperaturziele mit den bislang beschlossenen Maßnahmen bei weitem verfehlt. Wie heutzutage der Widerstand gegen ambitionierten Klimaschutz rhetorisch funktioniert, das beleuchtet eine neue Studie unter Federführung des Berliner Klimaforschungsinstituts MCC (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change). Die Studie wurde jetzt in der Fachzeitschrift Global Sustainability veröffentlicht.

„Als mit dem Klimawandel befasste Sozialwissenschaftler haben wir uns die neueren Diskussionen angeschaut und eine Typologie der Verzögerungsargumente erstellt“, berichtet William Lamb, Forscher in der MCC-Arbeitsgruppe Angewandte Nachhaltigkeitsforschung und Leitautor der Studie: „Dabei ging es uns um Argumente, die scheinbar den Klimawandel als Problem anerkennen – aber den Handlungsbedarf herunterspielen. Unterfüttert wird die Analyse durch Zitate und Diskussionsbeiträgen aus Politik, Wirtschaft und Medien. „Unsere Übersicht ermöglicht allen Interessierten aus der Wissenschaft, der Klimaschutzbewegung und der Politik, in Diskussionen die Argumentationsmuster zu erkennen und darauf adäquat zu reagieren“, so Lamb.

Das Plädoyer dafür, nicht oder zumindest nicht adäquat auf die Klimakrise zu reagieren, stützt sich der Studie zufolge in aller Regel auf eine oder mehrere von zwölf Argumentationsmustern, und zwar entlang der vier folgenden Kernaussagen: (1) Zunächst einmal muss jemand anderes handeln, (2) es geht ohne grundlegende, disruptive Veränderungen, (3) konsequente Klimapolitik ist politisch und sozial nicht vertretbar, und (4) Umsteuern ist nicht mehr möglich. „Das Vertrackte ist, dass in allen solchen Einlassungen immer auch ein Körnchen Wahrheit steckt“, sagt MCC-Forscher Lamb. „Aber diese durchaus relevanten Aspekte der Klimadebatte werden oft zu Instrumenten einer Verhinderungsstrategie, die darauf zielt, einschneidende Maßnahmen abzuwenden und materielle Besitzstände auf kurze Sicht zu schützen. Deshalb braucht ambitionierter Klimaschutz eine klare Kommunikation. Unsere Studie liefert dazu einen Beitrag.“

Übersicht zur Typologie der Verhinderungsargumente (Quellenhinweis: Global Sustainability):

Weitere Informationen:

  • Original-Studie: Lamb, W., Mattioli, G., Levi, S., Roberts, J., Capstick, S., Creutzig, F., Minx, J., Müller Hansen, F., Culhane, T., Steinberger, J., 2020, Discourses of climate delay, Global Sustainability
    http://dx.doi.org/10.1017/sus.2020.13
  • Die MCC-Meldung zu dem auf der Studie basierenden Lernspiel „Klima-Ausreden“ findet sich hier (12.01.2021).
  • Zu der Studie gibt es inzwischen Comic-Adaptionen der Illustrationskünstler Léonard Chemineau (hier) und Céline Keller (hier).
  • Großer Bericht der britischen Tageszeitung "The Guardian" zu diesem Thema hier.