EU stützt sich zu sehr auf Rat von „sieben Weisen“

In einem Paper in "Nature Climate Change" spricht sich das MCC dafür aus, dass Assessments die wissenschaftliche Politikberatung im „Scientific Advice Mechanism“ stärken.

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10.11.2015

Die EU-Kommission will sich in komplexen politischen Fragestellungen – wie der Euro-Krise, dem Klimawandel oder der Ernährungssicherheit – künftig von einem Gremium von sieben Wissenschaftlern beraten lassen. Doch diese Form der Beratung, auch wenn es Unterstützung von wissenschaftlichen Institutionen wie den Nationalakademien geben wird, ist für solche Themen unzureichend. Vielmehr sind umfassende Assessments nötig, die sowohl unterschiedliche Lösungswege als auch deren praktische Konsequenzen für die Gesellschaft analysieren. Das geht aus einer neuen Analyse hervor, die Martin Kowarsch vom Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) jetzt im Fachmagazin Nature Climate Change veröffentlicht hat.

Damit kritisiert der Leiter der MCC-Arbeitsgruppe „Wissenschaftliche Assessments, Ethik und Politik“ den „Scientific Advice Mechanism“ (SAM) – das neue zentrale Instrument der EU-Kommission zur wissenschaftlichen Politikberatung – als noch nicht ausgereift. EU-Forschungskommissar Carlos Moedas hatte eine Findungskommission eingesetzt, die am heutigen Dienstag die sieben Mitglieder des neuen Gremiums benennen will. „Der Vorstoß der EU ist noch nicht für den Zweck angemessen, komplexe Fragen der Ordnungspolitik zu beantworten“, schreibt Kowarsch. Zudem seien sowohl die gesetzlichen und finanziellen Grundlagen als auch die Rechenschaftspflicht noch unklar.

Speziell die europäische Energie- und Klimapolitik hat fundamentale und langfristige Auswirkungen auf die Gesellschaft, die laut Kowarsch sorgfältig mitbedacht werden müssen. Beispielsweise könne eine EU-Politik mit einem großen Bio-Energie-Anteil Auswirkungen auf Nahrungsmittelpreise, Entwaldung und Bodenrenten auch über Europa hinaus haben. Ebenso könnte eine effektive CO2-Bepreisung einer effizienteren Wirtschaft und der Luftqualität zugutekommen. „Die europäische Politik muss besser über die unmittelbaren Auswirkungen, Hürden, Nebeneffekte und Synergien der möglichen Alternativen informiert werden“, resümiert Kowarsch. Die disziplinär organisierte Standard-Wissenschaft könne dies nicht leisten.

Wissenschaftliche Assessments hingegen, die diese Alternativen und Auswirkungen aufzeigen und dem Weltklimabericht des IPCC vergleichbar wären, könnten das „Fleisch an den Knochen“ für den SAM sein. Folgende Voraussetzungen sollten dafür erfüllt sein: Die Vernetzung von Forschungsergebnissen aus verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen, die Einbindung von Politikern und Gesellschaft mit ihren jeweiligen Wertvorstellungen, eine Feedbackschleife über den Erfolg umgesetzter Politiken, sowie ein explizites Mandat der Kommission.

Damit die EU-Kommission auf dem bestehenden SAM in Richtung Assessments aufbauen kann, schlägt Kowarsch vor, dass das Gremium zunächst ein klares Mandat dafür erhält, frühere und künftige Politiken vor dem Hintergrund der unterschiedlichen nationalen Perspektiven kritisch zu bewerten. Die wissenschaftlichen Akademien könnten in diesem Zuge durch ihre Forschungen Wissenslücken in der Klimaforschung schließen. Der wissenschaftliche Dienst der Europäischen Kommission – die sogenannte „Gemeinsame Forschungsstelle“ – könnte für SAM das Erstellen eines Assessmentberichts koordinieren. Über die sieben Wissenschaftler schreibt Kowarsch: „In Zusammenarbeit mit aber weitgehend unabhängig von der Kommission könnten sie die Aufgabe erhalten, Assessments anzustoßen und zu leiten.“

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