Großes Potenzial für eine ökologische Steuerreform in Deutschland

Das konsequente Bepreisen von Umwelt- und Gesundheitsschäden würde hunderte Milliarden Euro mobilisieren. Analyse des Energiewende-Projekts Ariadne mit Beteiligung des MCC.

Spritpreis rauf: Seit Jahresbeginn greift in den Sektoren Verkehr und Wärme in Deutschland die neue nationale CO2-Bepreisung in Höhe von zunächst 25 Euro je Tonne. | Foto: Shutterstock/Deliris

01.06.2021

Es ist eine zentrale Erkenntnis der Umweltökonomie: Wenn der Staat die sogenannten Externalitäten des Wirtschaftens in die Produktpreise einfließen lässt, kann er den Wohlstand maximieren. Externalitäten sind zum Beispiel Klimawandel, Luftverschmutzung, Überdüngung, Plastikmüll oder Staus – also Schäden für Umwelt und Gesundheit, für die ohne politische Eingriffe niemand explizit die Kosten übernimmt. Wie groß diese Schäden sind und was sich daraus an möglichem Handlungsspielraum für die nächste Bundesregierung ableitet, das beschreibt jetzt so umfassend wie noch nie eine wissenschaftliche Analyse unter starker Beteiligung des Berliner Klimaforschungsinstituts MCC (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change).

Demnach decken die Einnahmen aus den bisherigen Lenkungssteuern und -abgaben – CO2-Bepreisung, Lkw-Maut, Energiesteuern und sonstige Verbrauchssteuern – im Jahr 2019 mit 107 Milliarden Euro nur einen Bruchteil der tatsächlichen Schäden. Die gesamten Externalitäten werden mit mindestens 455 Milliarden Euro beziffert; es könnten sogar bis zu 671 Milliarden Euro sein, da manche Schäden nur unvollständig erfasst werden. „Die Umwelt- und Gesundheitsschäden werden letztlich von allen getragen, wir machen diesen Verlust unseres Wohlstands nun sichtbar“, sagt Matthias Kalkuhl, Leiter der MCC-Arbeitsgruppe Wirtschaftswachstum und menschliche Entwicklung. Er ist einer von 8 Autorinnen und Autoren des MCC in dem insgesamt 21-köpfigen Autorenteam. Die Analyse wurde verfasst im Rahmen des im Juli 2020 gestarteten Kopernikus-Forschungsprojekts Ariadne zur Energiewende; das MCC ist dort einer von mehr als 25 Projektpartnern.

Als Differenz zwischen der bisherigen und einer vollständigen systematischen Besteuerung der Externalitäten ergibt sich ein zusätzliches Potenzial von jährlich 348 bis 564 Milliarden Euro, das sind 44 bis 71 Prozent der derzeitigen gesamten Steuereinnahmen. Am Beispiel der Energiewende empfiehlt das Autorenteam, vorrangig CO2-Preise anzuheben, Umwelteinflüssen durch die Landwirtschaft Rechnung zu tragen und Straßenverkehr verstärkt über Mautsysteme zu regulieren. Zudem gelte es, über das Senken der hohen deutschen Strompreise den Umstieg auf Elektroautos oder Wärmepumpen zu erleichtern. In einer umfassenden Reform könnten andere Steuern stark gesenkt werden. Auch über direkte Rückerstattungen oder gezielte Transfers gebe es viel Spielraum für eine sozial gerechte Ausgestaltung.

 

Weitere Informationen:

  • Ariadne-Kurzdossier „Reformoptionen für ein nachhaltiges Steuer- und Abgabensystem: Wie Lenkungssteuern effektiv und gerecht für den Klima- und Umweltschutz ausgestaltet werden können“, hier.
  • Pressemitteilung des Kopernikus-Projekts Ariadne, hier.