„Die Transformation kostengünstig und massentauglich machen“
Ein sehr grundsätzliches Gespräch über Klimaschutz, politische Kultur und die Wirtschaft: MCC-Generalsekretärin Brigitte Knopf und Eric Gujer, Chef der „Neuen Zürcher Zeitung“.
„Ist Klimaschutz etwas, was die Politik will und Aktivisten, aber das Volk möchte billig Auto fahren?“ Mit dieser Frage eröffnete Eric Gujer, der Chefredakteur der traditionsreichen „Neuen Zürcher Zeitung“, gestern die neueste Folge von deren vielbeachtetem TV-Format „NZZ Standpunkte“ im Schweizer Fernsehen. Die fast einstündige Sendung, die frei im Internet abrufbar ist, bietet eine außergewöhnliche Analyse. Gesprächspartnerin ist Brigitte Knopf, Generalsekretärin des Berliner Klimaforschungsinstituts MCC (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change).
Der Link zum Gespräch findet sich hier.
In der klassischen Interviewer-Rolle des „Advocatus diaboli“ formuliert NZZ-Chef Gujer systematisch die möglichen Einwände gegen die aktuelle Klimapolitik auf nationaler und internationaler Ebene: Sie gehe zu Lasten der kleinen Leute, sie verbrenne viel Geld, sie untergrabe die Marktwirtschaft, die verkenne die dominierende Rolle Chinas und der USA und so weiter. In einem intensiven Gespräch, aufgezeichnet im September in einem Fernsehstudio in Zürich, wird vor der Folie dieser rhetorischen Strategie das Potenzial einer sorgfältig konzipierten Vorgehensweise gegen die Erderhitzung deutlich.
So erklärt Brigitte Knopf präzise die Wirkung einer sozial austarierten CO2-Bepreisung als Fundament der Klimapolitik. „Sie setzt für die Wirtschaft den Rahmen für einen Suchprozess, der dann die günstigste Technologie findet.“ Weil die kleinen Leute einen vergleichsweise kleinen CO2-Fußabdruck haben, werden sie bei einer pro Kopf einheitlichen Rückerstattung der Einnahmen aus nicht schlechter, sondern sogar besser gestellt. Die Regierungen sollten das gewährleisten und zudem gut kommunizieren, „es kommt hier sehr stark auf eine gute Vermittlung an“. Und sie müssen die Bevölkerung besser einbeziehen. „Früher hat man irgendwo ein Kohlekraftwerk hingestellt – aber mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien und insbesondere der Verkehrswende in den Städten rückt die Transformation näher an die Leute ran.“ Es gilt, „die Klimawende als gesamtgesellschaftliches Projekt zu organisieren“.
Auf Gujers Nachfrage, ob Klimapolitik unterm Strich mehr Markt oder mehr Staat bedeute, sagt Knopf: „Auf jeden Fall mehr Markt“. Allerdings haben auch Standards sowie Ge- und Verbote ihren Platz, der Staat muss mit einem klugen Politik-Mix den Weg zu netto null Emissionen offensiv gestalten. Zu diesem Ziel haben sich ja inzwischen auch China und die USA bekannt. Klimaschutz kostet Geld, aber die Klimakrise kostet noch viel mehr – und es gilt jetzt, die Transformation kostengünstig und massentauglich zu machen. Die Politik ist in der zentralen Verantwortung. „Einfach nur zu sagen, du musst jetzt Fahrrad fahren und darfst kein Fleisch essen, ist eine Überforderung des Individuums.“
Weitere Informationen:
„Klimawandel – Was wissen wir, was können wir tun, was dürfen wir hoffen?“: Sendung „NZZ-Standpunkte“ mit NZZ-Chefredakteur Eric Gujer und MCC-Generalsekretärin Brigitte Knopf (hier).