Entlastungskonzept der Gaskommission halbiert die krisenbedingen Mehrkosten privater Haushalte

MCC-Studie auf Basis der Daten zu Konsumausgaben. Geplant sind eine Einmalzahlung und eine Preisbremse. Edenhofer: „Substanzielle Entlastung, aber noch sozial unausgewogen.“

Sicher durch den Winter: Der Abschlussbericht der Gaskommission hat die Regierung überzeugt, das MCC hat die für Haushalte konzipierten Entlastungen durchgerechnet. | Quelle: BMWK

03.11.2022

Der am 31. Oktober vorgelegte Abschlussbericht der „ExpertInnen-Kommission Gas und Wärme“ läuft für mit Gas heizende private Haushalte in Deutschland auf eine Halbierung der krisenbedingten Mehrkosten hinaus. Die vorgeschlagene Kombination aus Einmalzahlung und Preisbremse, die die Bundesregierung schon diese Woche auf den Weg gebracht hat, kompensiert 47 Prozent der Mehrbelastung, die bei einem mittleren Gashaushalt und derzeitiger Preisentwicklung bis Frühjahr 2024 zu erwarten ist. Dies zeigt eine Studie des Berliner Klimaforschungsinstituts MCC (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change), die jetzt online verfügbar ist.

Hintergrund ist Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine und der Ausfall von Gaslieferungen nach Europa. Die Regierung hatte die Gaskommission vor sechs Wochen berufen und dabei auch MCC-Expertise angefordert. Laut dem Konzept wird der Staat über die Gasversorger die Haushalte in zwei Stufen entlasten: im Dezember eine Monatsrechnung erstatten sowie ab März – die Regierung zieht das womöglich auf Februar vor – 80 Prozent des im Jahresbescheid prognostizierten Verbrauchs auf 12 Cent je Kilowattstunde heruntersubventionieren, die Differenz zum Marktpreis wird dann ebenfalls erstattet. Die MCC-Studie dazu stützt sich auf die empirischen Daten zu Konsumausgaben und auf ein am Institut entwickeltes Simulationsmodell: In seiner Forschung zur Klimapolitik beleuchtet das MCC schon seit Jahren die Verteilungseffekte höherer Energiepreise und staatlicher Kompensation.

Das Kernergebnis von 47 Prozent kompensierter Mehrbelastung basiert auf der Annahme, dass der Durchschnittspreis je Kilowattstunde Gas, bundesweit sowie für Alt- und Neuverträge, bis Dezember 15 Cent beträgt und ab Januar 2023 dann 20 Cent. Aktuell beträgt der mittlere Preis in der sogenannten Grundversorgung 13 Cent und bei Neuverträgen 22 Cent. „In dem Zeitraum Oktober 2022 bis April 2024, den das Entlastungskonzept der Gaskommission erklärtermaßen abdeckt, zahlt ein Haushalt mit mittlerem Einkommen krisenbedingt insgesamt 4700 statt 1600 Euro, er hat also 3100 Euro Mehrkosten“, berichtet Maximilian Kellner, Postdoc in der MCC-Arbeitsgruppe Wirtschaftswachstum und menschliche Entwicklung und Leitautor der Studie. „Von diesen 3100 Euro bekommt er nach diesem Konzept 1400 Euro erstattet.“

Der dauerhaft subventionierte Preis für den Großteil des Verbrauchs sorgt dafür, dass die prozentuale Entlastung über alle Einkommensgruppen hinweg ungefähr gleich ausfällt – und bei einer Verschärfung der Krise noch zunimmt: „Bei einem Marktpreis von 30 Cent bekäme ein Haushalt statt 47 Prozent sogar 60 Prozent der Mehrkosten erstattet“, sagt MCC-Forscher Kellner, der die Arbeit der Gaskommission als ein sogenannter Sherpa unterstützt hat. „Und auch auf den restlichen Mehrkosten bleiben Haushalte nur zum Teil sitzen – denn die Ersparnis durch verringerten Verbrauch kommt ja noch obendrauf.“ Hierfür setzt das Konzept durchaus Anreize: Die Einmalzahlung und das subventionierte Grundkontingent berechnen sich nach einem im Voraus definierten Verbrauch; es kassiert die volle Erstattung auch, wer Gas einspart.

Kritisch merkt die Studie an: Die Halbierung der Mehrkosten bedeutet absolut gesehen besonders viel staatliches Geld für Haushalte mit hohem Gasverbrauch – also meist viel Wohnfläche und viel Einkommen. Im Prinzip ließe sich das ändern: wenn man die Erstattung als normal einkommensteuerpflichtige Zahlung konzipiert oder wenn man beim subventionierten Grundkontingent, neben der relativen 80-Prozent-Begrenzung, auch ein absolutes Limit einzieht. Doch beide Optionen scheitern derzeit an administrativen Hürden. Eine Gutschrift auf dem Konto des Gasversorgers ist steuerlich schwierig zu erfassen. Und der Versorger weiß nicht, ob sich hinter einem Gaszähler mit hohem Verbrauch der vielzitierte Swimmingpool befindet oder ein Wohnhaus mit mehreren einkommensschwachen Haushalten.

„Die Gaskommission hat angesichts des Zeitdrucks ein ordentliches Ergebnis mit substanzieller Entlastung erzielt“, urteilt Ottmar Edenhofer, MCC-Direktor und ein Co-Autor der Studie. „Doch die Konstruktion aus Einmalzahlung und Preisbremse ist noch sozial unausgewogen, und der Umweg über die Versorger ist eine administrative Krücke. Um die Energie- und Klimapolitik effizient sozial auszubalancieren, braucht es schnell einen Kanal für staatliche Direktzahlungen an Haushalte. Aus der Krücke muss eine Brücke werden.“

 

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